Tezhib – Die Kunst der Dekoration

Tezhib – Die Kunst der Dekoration

Tezhib – Die Kunst der Dekoration

Der Begriff “Tezhib”, dessen arabische Übersetzung “vergolden” bedeutet, bezeichnet die Kunst der Illumination und zählt zu den verbreitetsten traditionellen Dekorationskünsten. Dabei werden besonders wertvolle Bücher, Manuskripte, Kalligrapien oder Zitate aus dem Koran mit Ornamenten sowie Randverzierungen gestaltet und anschließend vergoldet. Während der Jahrhunderte langen Entwicklung der Tezhib Kunst, haben sich vor allem die wunderschönen Koran Verzierungen hervor getan.

Tezhib Maler, die in speziellen Werkstätten des Topkapi Palastes in Istanbul ausgebildet wurden, werden “Müzehhip” genannt. Zu ihren unverzichtbaren Utensilien gehört das behandelte Gold, welches dem Müzehhip zur weiteren Verarbeitung in dünnen Schichten geliefert wird. Das Blattgold wird anschließend mit Früchten der arabischen Akazie zersetzt, gesiebt und getrocknet. Abschließend wird das pulverisierte Gold mit Achat, einem speziellen Quarzkristall, poliert.
Im 12. und 13. Jahrhundert hat man überdies verschiedene Farben verwendet, um zusätzliche Nuancen zu erhalten. In dieser frühen Periode bildeten lila und dunkelblau die Basis der Ornamente, während rot gerne als Zwischenfarbe und grün als Hintergrund eingesetzt wurde. Die Designs können insgesamt als schlicht charakterisiert werden.

Die vielfältigen Anwendungsbereiche unterschieden sich in Form und Einsatzgebiet. Verziert wurde gerne der Titel in Bucheinbänden, der Name des Autors oder die Innenseite des Umschlags. Häufig bediente sich der Tezhip Maler einer leeren Seite, um seine Kunstfertigkeit zu demonstrieren. Die hohe Kunst der Tezhib Malerei zeigt sich im Verzieren des heiligen Koran – um Suren (“Abschnitte bzw. Kapitel”) oder Ayets (“Koranverse”) voneinander zu trennen bzw. zu kategorisieren, aber auch um Kopf- bzw. Fußzeilen, sowie Ränder zu dekorieren, setzte man auf runde Ornamente, die als “gül” (“Rose”) betitelt werden. Der Einsatz dieser “gül’s” wiederum sind klar gegliedert; die “vakfe gül”, “secde gül” und “hizip gül” werden auf jeder fünften Seite eingebunden, die “cüz gül” alle 20 Seiten und die “sure gül” vor jeder Sure. Die sogenannte “Şemse gül” dagegen ist größer und dekorativer und wird überwiegend auf die Innenseite des Bucheinbands gemalt.

Prinzipiell bestehen die verwendeten Motive aus Stilisierungen von Pflanzen oder Tieren. Florale Ornamente werden als “Hatayi” bezeichnet und sind der Phantasie des Künstlers unterworfen. Sie enthalten Blüten, Blätter oder Knospen. Aus den tierischen Motiven wiederum hat sich ein Sonderstil herausgebildet, dass den Namen “Rumi” trägt.

Historische Entwicklung der Tezhib Kunst

Im 12. und 13. Jahrhundert wurden sowohl in der Tezhib Kunst, als auch in architektonischen Dekorationen überwiegend Rumi Motive eingesetzt. Charakteristisch hierfür seien die seldschukischen Denkmäler genannt, dessen dekorative Kompositionen eher asymmetrisch und schlicht ausfielen. Während dieser Periode hat sich die innenanatolische Stadt Konya zum wichtigsten Zentrum der Tezhib Kunst entwickelt. Innerhalb der folgenden zwei Jahrhunderte sollte der Konya-Stil sich im osmanischen Reich verbreiten und zugunsten symmetrischer Motive sowie Einflüsse aus östlichen Kunstzentren wie Bagdad, Tebriz oder Herat weiterentwickeln.

Aus dieser Konsequenz sollte die symmetrische Anordnung der Motive die Basis für künftige Tezhib Kompositionen bilden. Geometrische Formen wie Dreiecke oder Sterne gehörten im 16. Jahrhundert ebenso zum Repertoire der Künstler, wie auch Wolkenmuster. Nachdem die persische Stadt Tebriz während der Regierungszeit des Sultans Yavuz Sultan Selim 1515 eingenommen wurde, erhält die Tezhib durch die in Istanbul eingewanderten Künstler aus Herat und Tebriz einen frischen Anstrich. Die Neuerungen stechen besonders während der Regierungszeit Kanuni Sultan Süleyman’s (Süleyman I. Der Prächtige), ein Förderer der schönen Künste im osmanischen Reich, hervor. Hier sei der sogenannte “Saz”-Stil genannt, welches von dem Maler “Şahkulu” geprägt wurde. Dieser arbeitete mit Hatayi Motiven und setzte auf geschwungene, Spitz anlaufende Linien. Durch die perfektionierte Technik, die vielfältigen Designs und den Einsatz klassischer Rumi-Formen, erhielten die Dekorationen einen besonders eleganten Anstrich.

Das 17. Jahrhundert war geprägt von den außergewöhnlichen Koran Dekorationen. Eines der herausragenden Beispiele sind die detaillierten Muster im “Karahisari” Koran (Ahmed Karahisari war ein berühmter Kalligraph im 16. Jahrhundert), welches in der Werkstatt des hiesigen Müzehhip Karamemi bzw. Kara Mehmed angefertigt wurde – allein für die Seitenränder verwendete er über 100 verschiedene Muster. Die mehr als 600 verschiedenen Farben und Stile machen die Koran Illumination des Karamemi zu einem Meisterwerk.

Mit dem Beginn des 18. Jahrhundert verlor die traditionelle Ornamentik im Zuge der Modernisierungsbestrebungen des osmanischen Reiches Ihre Detailtreue. Die Synthese zwischen klassischem Tezhib und westlicher Kunst brachte neue Formen und Stile hervor, die deutlich von europäischen Strömungen wie dem Barock oder Rokoko beeinflusst waren. In den Werken des führenden müzehhip jener Zeit, Ali Üsküdar, sticht die Verschmelzung von Morgenland und Abendland besonders hervor. Folglich wurden zum Anfang des 19. Jahrhunderts eine neue Garde von müzehhip’s ausgebildet, die im “türkischen Rokoko” Stil arbeiteten und dessen Technik überwiegend auf naturalistischen Floralmustern basierte.

Ende des 19. Jahrhunderts flachte das Interesse am türkischen Rokoko Stil weitestgehend ab. Versuche, die klassischen Motive in einem Neo-Tezhib-Stil zu vereinen, blieben erfolglos, so dass die traditionelle Tezhib Kunst heutzutage nur noch vereinzelt von ausgewählten Meistern des Fachs eingesetzt wird.

Literatur

  • Dr. Ayla Ersoy – Türk Tezhip Sanati, 1988

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