Pioniere der Fotografie – Abdullah Freres

Pioniere der Fotografie – Abdullah Freres

Pioniere der Fotografie – Abdullah Freres

Eines der wichtigsten Photographenstudios im osmanischen Reich wurde 1858 durch Vichen Abdullah. Gemeinsam mit seinen Brüdern Hovsep und Kevork, sollte das Studio – bekannt unter der Firmierung ‚Abdullah Frères‘ – einen wesentlichen Beitrag für die Entwicklung der Fotografie in Istanbul leisten.

Nachdem Vichen zunächst als Retucheur im Studio des deutschen Chemikers Rabach’s arbeitete, übernahmen die Gebrüder, nach dessen Rückkehr in seine Heimat, das Unternehmen. Neben der obligatorischen Porträtphotographie, beinhaltete das Produkt- und Leistungs-Portfolio das Photographieren von Sehenswürdigkeiten und Kostümen, das Zeichnen von Miniaturen auf Elfenbein, das Porträtieren in Ölfarben und die Herstellung von Broschüren. Um den eigens gesetzten Ansprüchen zu entsprechen, verkauften sie außerdem Photographie-Apparaturen und boten Unterricht an. Somit etablierten sie sich relativ schnell auf dem bis dato eher ruhigen Istanbuler Markt.

Istanbul Fotografie

In dieser mehrteiligen Serie durchleuchten wir die historische Entwicklung der Fotografie in Istanbul – mit vielen historisch wertvollen Fotografien und diversen Hintergrundinformationen.

Offizielle Hofphotographen des Sultans

Anfang der 1860er Jahre begaben sich Vichen und sein jüngerer Brüder Kevork nach Paris, um Informationen über das Nass-Kollodium Verfahren aus erster Hand zu erwerben. Nach ihrer Rückkehr bereiteten sie ein Porträtalbum von prominenten Mitgliedern des Kabinetts im ‚Carte-de-Visite‘ Format vor (erstmalig in der photographischen Geschichte des osmanischen Reiches) und präsentierten es Sultan Abdul Aziz unmittelbar nach seinem Amtsantritt. Ihre Professionalität und die besondere Komposition ihrer Bilder würdigend, verlieh Sultan Abdul Aziz den Brüdern im folgendem Jahr das Prädikat ‚Ressam-i Hazret-i Sehriyari‘, also des offiziellen Hofphotographen. Durch den Titel des Hofphotographen setzte ein rasanter Aufstieg ein. Einflussreiche Angehörige der ansonsten unnahbaren Péra Gemeinschaft reihten sich in Schlange, um im Studio der Abdullahs porträtiert zu werden.

Europaweite Bekanntheit

Zur Präsentation des Reiches entschied die osmanische Oberschicht 1867 an einer Ausstellung in Paris teilzunehmen und besonders die schönen Künste des Imperiums in den Vordergrund zu stellen. Die Gebrüder Abdullah kompilierten ein Album mit Photohraphien aus dem sozialen Leben und den Sehenswürdigkeiten Istanbuls, die großes Aufsehen beim Publikum erweckten. Neben dem Sultan und seiner Familie, beinhaltete die Kollektion Bilder von Angehörigen verschiedener ethnischer Volksgruppen in ihren typischen Kostümen und berühmten Sehenswürdigkeiten. Viele britische und französische Publikationen empfahlen die ausgestellten Bilder der Gebrüder weiter, wodurch der Bekanntheitsgrad der Gebrüder Abdullah europaweit explodierte.

Im selben Jahr verkauften sie ihr Studio an den Photographen Nikolai Andreomenos und eröffneten ein Neues in Péra. Mehr als ein einfaches Studio, entwickelte sich das Atelier in eine Galerie für viele bekannte Maler. Ihre erfolgreiche Arbeit gefiel dem Sultan so sehr, dass er am 4. Juli 1873 ein Dekret in den Tageszeitungen erließ, dass die Nachahmung ihrer Aufnahmen verbot.

Das Geheimnis Ihres Erfolges

Sowohl die Innen-, als auch die Außenaufnahmen der Gebrüder Abdullah zeugten von hoher ästhetischer Qualität. In sämtlichen photographischen Disziplinen waren sie federführend. In einem armenischen Magazin erklärte Kevork Abdullah, dass die Besonderheit ihrer Photographien einerseits an dem scharfen Arrangement ihrer Kompositionen und andererseits an der Verwendung des Nass-Kollodium Verfahrens liege. Beachte man diese Vorgaben, erhielten die Aufnahmen die gewünschten Konturen und ein Gleichgewicht von Licht und Schatten.

Bei ihren Motiven beschränkten sie sich nicht nur auf die offizielle Haltung des Sultanspalasts, sondern waren maßgeblich mitbeteiligt an der Herausbildung der klischeehaften Sichtweise auf den Orient. Eine komplette Serie von Frauenporträts in freizügigen Kostümen wurde für den Touristenmarkt fertig gestellt, die den westlichen Wunschvorstellungen eines orientalen Harems entsprachen. Diese Bilder wurden recht zügig konfisziert und in den 1890er Jahren offiziell verboten, da sie nicht die allgemeine Haltung der muslimischen Population und des Sultanspalasts reflektierten.

Der langsame Abschied

Mit dem Machtwechsel auf dem Sultansthron 1876 büßten die Gebrüder Abdullah zwischenzeitlich ihre gesonderte Position im Palast ein. Erschwerend kam hinzu, dass ihnen 1878 der Titel des Hofphotographen aberkannt und somit der Verkauf von Bildern des Sultans und seiner Dynastie verboten wurde. Finanziell bedeutete dies einen schweren Rückschlag, da der Verkauf jeglicher Photographien von Mitgliedern der Sultansfamilie untersagt wurde und darüberhinaus der Istanbuler Studiomarkt florierte. Kevork und Hovsep zog es in dieser Zeit nach Ägypten um einen Ableger ihres Studios in Kairo zu eröffnen. Zwischenzeitlich erlangte der in Istanbul verbliebene Vichen erneut den Titel des Hofphotographen und machte sowohl Aufnahmen von Wilhelm II. während seines ersten Besuches in Istanbul 1889, als auch von dem Aufenthalt einer japanischen Delegation 1891.

1893 entschied Sultan Abdul Hamit II. der amerikanischen Nationalbibliothek ein Geschenk in Form eines Albums mit insgesamt 1891 Photographien zu überreichen. Hierzu beauftragte er unter anderem Vichen Abdullah, der zwischen 1891 und 1892 den Großteil dazu beitrug. Nach neun Jahren erfolgreicher Arbeit in Kairo fand Kevork bei seiner Rückkehr das Studio in Istanbul in schlechtem Zustand. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass mit dem Aufkommen der Militärphotographen und den Bau eines voll funktionstüchtigen Studios unter Leitung von Ali Riza Bey im Palast selber sich die Auftragslage für die Brüder extrem verschlechtert hatte. Das Studio verkauften sie 1899 daraufhin für 1200 osmanische Lira an das Unternehmen Sébah & Joaillier und verblieben zum Ende ihrer Jahre, sicherlich auch wegen dem allgemeinen Rückgang der Photographenstudios, eher im Hintergrund.

Literatur

  • Engin Özendes – Abdullah Freres: Osmanli sarayin fotografcilari, 1998

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