Mimar Sinan – Michelangelo der Osmanen
Mimar Sinan – Michelangelo der Osmanen
Mimar Sinan war wohl der bedeutendste Architekt in der Geschichte des osmanischen Reichs und einer der weltweit Größten seiner Zunft. Die Fachliteratur bezeichnet ihn als „Michelangelo der Osmanen„. Kunsthistoriker bescheinigen seinen Werken und Bauten eine vollkommene Harmonie zwischen Innen- und Außenwirkung. Einige seiner Moscheen kommen noch heute zur Sprache, wenn es um herausragende Leistungen islamischer Baukunst geht.
Mimar Sinan’s Leben
Geboren ist Mimar Sinan, bürgerlich wahrscheinlich Yusuf Sinan bin Abdullah, vermutlich um das Jahr 1490 in der innenanatolischen Stadt Ağırnas bei Kayseri und verstarb am 17. Juli 1588 in Istanbul. Dort wuchs er als Kind christlicher Türken auf und wurde wahrscheinlich 1512, infolge der von Sultan Yavuz Selim I. eingeführten Knabenlese zur Rekrutierung von Soldaten, eingezogen. In Istanbul erhielt er eine militärische Ausbildung und nahm an den meisten Feldzügen der Sultane Yavuz Selim I. und Süleyman I. teil. 1521 wurde er außerdem zu den Janitscharen, der Elitetruppe des Sultans, einberufen.
Nebenher diente Mimar Sinan als Militäringenieur und bewies sein herausragendes Talent und Geschick beim Bau von Brücken und Festungen. Nachdem er während des Bagdad- und Tabriz-Feldzugs drei Schiffe zum Überqueren des Van-See’s erfolgreich umsetzte, beförderte man ihm zum Oberst der kaiserlichen Leibgarde, wo er ferner als Chefmechaniker einige zivile Gebäude errichtete. Folglich wurde er, vermutlich im Jahr 1539, mit dem Titel des „Ser-Mimâr-ı Mimârân-ı Hassâ“ versehen und bekleidete fortan den Posten des Hofbaumeister’s des Sultans.
Dieser Aufstieg sollte eine bemerkenswerte Karriere einläuten, die über drei Herrschaftsperioden (Kanuni Süleyman I., Selim II. und Murat III.) andauerte und die militärische sowie künstlerische Blütezeit des osmanischen Großreichs darstellte. Als Hofbaumeister und Chefarchitekt hat er mehr als 250 Schüler ausgebildet und ließ 30 Architekten für sich arbeiten. Seine Schaffenszeit war, auch als Innenarchitekt, geprägt von besonderer Qualität und kreativen Lösungen für damals besonders schwierige bauliche Herausforderungen.
Mimar Sinan’s Bauwerke
Aus seinen Autobiographien kann man entnehmen, dass Mimar Sinan während seiner Schaffenszeit insgesamt etwa 477 architektonische Bauwerke erbaut oder geleitet hat. Mehr als die Hälfte davon sind Naturkatastrophen oder mutmaßlichen Zerstörungen zum Opfer gefallen. Heute sind insgesamt 204 Bauwerke erhalten geblieben und teilweise renoviert. Weitere kleinere Bauwerke oder Teilbauten, etwa Brunnen, Schulen und zwei der Minarette der Hagia Sophia Moschee, sind in seinen Werksverzeichnissen zwar nicht gelistet, werden aber dennoch ihm zugeschrieben.
Der Großteil seiner Bauten, 319 Stück, sind oder waren in Istanbul vorzufinden. Weitere 50 im Umkreis von 250km in und um die thrakische Provinz Edirne, aber auch außerhalb der Grenzen der Türken, etwa auf dem Balkan. Die unglaubliche Menge der Bauwerke waren zurückzuführen auf seine Sonderstellung als Architekt und Anerkennung innerhalb der hohen Pforte – nahezu jeder osmanische Stifter war darauf erpicht, seine gemeinnützige Wohltat durch Mimar Sinan errichten zu lassen.
Der osmanische Schrifsteller Evliya Çelebi berichtet in seinen Reisebüchern (Seyahatnâme), Mimar Sinan habe seine 3 wichtigsten Werke als „Lehrlingsstück“ (Şehzade-Moschee in Istanbul), als „Gesellenstück“ (Süleymaniye-Moschee in Istanbul) und als „Meisterstück“ (Selimiye-Moschee in Edirne) bezeichnet.
Şehzade-Moschee in Istanbul (1543-1548)
Dieser erste Monumentalbau Mimar Sinans war ein Meilenstein der osmanischen Architektur, stellte sie doch eine der größten Herausforderungen dar. Erstmals sollte die Hauptkuppel einer Moschee ohne Pfeiler auskommen und durch vier Halbkuppeln sowie Drittkuppeln gestützt werden. Die Innenwände dekorierte er dagegen mit seldschukischer Ornamentik und ließ damit traditionelle Dekorationskunst und moderne Architektur ineinander einfließen.
Süleymaniye Moschee in Istanbul (1550-57)
Das „Gesellenstück“ in Istanbul stellte im Hinblick auf die Topographie größere Probleme dar. Beim Bau auf den hügeligen Straßen, konnte Mimar Sinan sein meisterhaftes Talent zeigen und wurde dem imperialen Anspruch durch das Vier-Pfeiler-System, vier Medressen und erstmals dem Einsatz des Bolus-Rot in den Iznik Fliesen gerecht. Unmittelbar neben der Moschee ist zudem das Mausoleum des großen Architekten.
Selimiye Moschee in Edirne (1567/68-1574/75)
Bei seinem „Meisterstück“ hat Mimar Sinan erneut Pionierarbeit geleistet – das einzigartige Stützsystem kennt keine Vergleiche in der Architekturtradition alter Kulturen. Die axial angeordneten Strukturelemente sind symmetrisch auf die gewaltige Hauptkuppel ausgerichtet, während die Moschee von acht Pfeilern und vier diagonalen Halbkuppeln gestützt wird. Für die Innenarchitektur wurden die edelsten Materialien und Dekorationen der osmanischen Handwerkskünste eingesetzt. Die Selimiye Moschee war das Resultat einer lebenslangen Suche Mimar Sinans nach dem perfekten Zentralbau.