Mahya – Lichterketten für Minarette

Mahya – Lichterketten für Minarette

Mahya – Lichterketten für Minarette

Seit etwa 400 Jahren werden während des Ramadan Monats und anderen islamischen Feiertagen die Minarette der Moscheen mit Ketten aus Öllampen geschmückt, die den Himmel über Istanbul durchgehend erleuchten. Das traditionelle Mahya Handwerk ist ein kulturelles Erbe der Türken, das mittlerweile elektrisch betrieben wird.In der Lehçe-i Osmani des Vefik Paşa, eines der frühesten türkischen Wörterbücher aus dem 19. Jahrhundert, wird die Mahya als „Bild aus Öllampen, das während des Ramadan zwischen zwei Minarette einer Moschee gespannt wird“ definiert.
In der islamischen Welt ist das traditionelle Mahya Handwerk eine nahezu ausschließlich in der Türkei ausgeübte Form der Dekorationskunst. Im alten Istanbul wurde der Beginn des heiligen Monats Ramadan durch festliche Aktivitäten eingeläutet. Die feierliche Atmosphäre der Bevölkerung wurde abgerundet durch Musik sowie Literatur und führte den Glanz der osmanischen Kultur in seiner Vollkommenheit vor.

Die Mahya’s erhellten die Nächte am Bosporus mit verschiedenen Botschaften oder Versen und symbolisierten den sinnbildlichen Einklang zwischen dem menschlichen Geist und den sakralen Tugenden des Ramadan.

Die Entwicklung des Mahya Handwerks

Den Überlieferungen nach wurde die erste Mahya Lichterkette im Jahre 1614 durch den Muezzin der Fatih Moschee und Kalligraphen Hafız Ahmet Kefevi als Präsent für den damaligen Oberhaupt des osmanischen Reiches Ahmed I. angefertigt. Dies gefiel dem Sultan so sehr, dass er, unter Berücksichtigung islamischer Normen und Werte, das Aufhängen von Mahya’s während des Ramadan’s erließ. Es war die im Jahre 1617 erbaute Sultanahmet Moschee, an der der Erlass des Sultans erstmals Anwendung fand. In den folgenden Jahren sollte das Mahya Handwerk eine künstlerische Tradition einnehmen.

Bereits im Jahr 1723 entschied ein imperialer Erlass das Anbringen der Mahya an allen Sultansmoscheen, also den Moscheen, die ausschließlich von Oberhäuptern des osmanischen Reiches oder dessen Angehörigen erbaut wurden. Die Anordnung umfasste sogar die Eyüp Moschee, dessen Minarette bis dato zu kurz waren und kurzerhand um die erforderliche Länge erweitert wurde.

Ein Jahr darauf ließ Sultan Ahmed III. die Maßnahmen zur Verzierung der Hagia Sophia Minarette bei besonderen Anlässen schriftlich in den Gesetzbüchern fixieren und ließ somit das Mahya Handwerk staatlich fördern.

Abdüllatif Efendi gilt als Pionier der Mahya-Lichterkette. Durch seine „bewegliche“ Mahya-Konstruktion an den Minaretten der Süleymaniye Moschee, etwa um das Jahr 1870, hat er nicht nur ein künstlerisches Novum erschaffen, sondern war maßgeblich in die Weiterentwicklung des Handwerks involviert. In einem Meister-Lehrling Verhältnis zu seinen Söhnen, übergab er kurz vor seinem Tod 1877 das Familienbetrieb ebenjenen, die wiederum die Tradition über Generationen vererbten.

Heutzutage fördert das Mahya-Produktionsatelier unter der Direktion einer Istanbuler Stiftung das Handwerk und organisiert neben der Fatih, Eyüp, Sultanahmet und Süleymaniye Moschee in Istanbul die Lichterketten für die Valide Moschee in Üsküdar, die Selimiye Moschee in Edirne, die Reşadiye Moschee in Eskişehir und der Ulu Moschee in Bursa.

Herstellung der Mahya Lichterketten

Das klassische Mahya Handwerk bedarf einer relativ langen Planungszeit für die einzelnen Projekte sowie langjähriger Erfahrung. Bevor man mit den Arbeiten an den Minaretten beginnt, wird das Motiv oder die Botschaft zunächst auf Karo-Papier skizziert und geplant. Dabei werden an den Überschneidungspunkten der horizontalen und vertikalen Linien Marker gesetzt, bis das gewünschte Motiv oder der Buchstabe vorliegt.

Nachdem das Muster in Kleinformat erstellt wurde, spannt der Handwerker mehrere Seile, entsprechend der Vorlage, waagerecht zwischen die Minaretten. Das Identifizieren der korrekten Positionen entsprechend der Vorlage verlangt viel Erfahrung und ist der Imagination des Meister-Handwerkers unterworfen. An besagte Punkte werden Schleifen gesetzt und abschließend die Öllampen eingehakt.

Da man für die Lichterketten mittlerweile Glühbirnen einsetzt, ist das traditionelle Mahya Handwerk zurückgegangen und wurde weitestgehend von modernen Elektro-Technikern ersetzt.

Botschaften im Himmel

In den Istanbuler Moscheen beginnen die Vorbereitungen und der Aufbau der Mahya’s etwa 15 Tage vor Beginn des Fastenmonats. Üblicherweise werden während der ersten Hälfte des Ramadans Botschaften und Verse montiert. Die zweite Hälfte besticht besonders durch Formen oder Motive von Moscheen, Blumen, Halbmond und Stern oder dem berühmten, auf einer kleinen Insel im Bosporus gelegenem, Leanderturm bzw. Mädchenturm („Kız kulesi“).

Die Aussprüche sind häufig kurze 1-2 Zeiler, welche die frohe Botschaft des Ramadans verkünden. Sind es zu Beginn noch Willkommensbotschaften, wie etwa „Sei willkommen Monat Ramadan“ („Hoşgeldin Ya Şehr-i Ramazan“), „Faste und finde Gesundheit“ („Oruç Tut Sıhhat Bul“) oder „Sultan der elf Monate“ („On Bir Ayın Sultanı“), lässt man den heiligen Monat mit Abschiedsbotschaften und Gebeten wie „Nehme unsere Gebete an lieber Gott“ („Şefaat Ya Rasulallah„), „Es gibt keinen Gott außer Allah“ („La İlahe İllallah„) und „Lebe wohl Monat Ramadan“ („Elveda Ya Şehr-i Ramazan„) ausklingen.

Nach dem Ausruf der 2. konstitutionellen Monarchie 1908 wurde die Mahya zudem als Mittel zum Propagieren politischer Durchsagen, völlig abseits religiöser Inhalte, eingesetzt. Als soziales und politisches Medium sollten Meldungen wie „Es lebe die Freiheit“ („Yaşasın Hürriyet“), „Kauf inländische Ware“ („Yerli Malı Al“) oder „Es lebe die türkische Unabhängigkeit“ („Yaşasın Misak-ı Milli“) die Bevölkerung aufklären und führen.

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