Hilye-i Serif in der islamischen Kalligraphie
Hilye-i Serif in der islamischen Kalligraphie
Im Islam heißt es, dass sich jeder Muslim die Eigenschaften des Propheten Mohammed (s.a.v.) aneignen soll. Islamische Künstler, dessen unstillbare Sehnsucht nach seiner Anwesenheit nicht mehr durch beschreibende Quellen aus Hadithen gestillt wurden, suchten ihre Glückseligkeit in der künstlerischen Verschriftlichung der charakterlichen Merkmale des Propheten.
Auch wenn das Wort Hilye frei übersetzt „Dekoration“ oder „Schönheit“ bedeutet, so wird der Terminus nahezu ausschließlich mit Werken in Verbindung gebracht, die das Verhalten, die Physiognomie und die seelischen Eigenschaften des Propheten Mohammed erwähnen. Als Hilye-i Serif, Hilye-i Nebevi oder Hilye-i Saadet versteht man die dekorative Darstellung von Hadithen über den Propheten, anhand der seine bewundernswerte Persönlichkeit für folgende Generationen erhalten werden soll. Sie sind außerdem ein Zeugnis für das Bestreben islamischer Kalligraphen nach Vollkommenheit und Schönheit und deuten auf die Einzigartigkeit der Person hin, dessen Andenken sie gewidmet sind.
Die Hilye stellt eine kalligraphierte Verfeinerung der früh-arabischen Şemail dar und wurde insbesondere von osmanischen Künstlern im 17. Jahrhundert auf speziellen Tafeln oder Pappen perfektioniert. Das früheste bekannte Beispiel einer Hilye-i Serif nach osmanischer Konvention geht zurück auf den berühmten Kalligraphen Hafiz Osman, nach dessen Werken sich Kalligraphen noch heute orientieren. Die mit Ornamenten und Illuminationen besonders fein verzierten Bilder wurden gerne als Dekoration für das eigene Heim verwendet oder schmückten die Innenwände von Moscheen.
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Aufbau und Inhalt des klassischen Hilye-i Serif
Die Hilye Tafeln werden überwiegend mit Schriftstilen aus der „Aklam-ı Sitte“ geschrieben. Vorherrschend sind hier die Stilrichtungen Thuluth, Muhaqqaq, Nasch, Taliq und Nastaliq. Es gibt aber auch Hilye’s die in Kufi kalligraphiert wurden.
Zeitgenössische Künstler weichen nicht selten von den klassischen Arrangements ab, ohne dem künstlerischen Anspruch der Hilye untreu zu werden. Der Aufbau der traditionellen Hilye-i Serif folgt strengen Regeln und kann grob in 9 Abschnitte unterteilt werden, wovon allerdings nicht alle zwingend erforderlich sind.
1. Başmakam / Kopfbereich
Die Hilye-i Serif beginnt mit der sogenannten Besmele – ein Ausspruch, der Allah als den Barmherzigen huldigt. Diese Formel wird im Islam vor jeder Tat ausgesprochen. Die Kalligraphie kann in verschiedenen Stilen (Muhaqqaq, Thuluth o.a.) umgesetzt werden.
2. Göbek / Nabel
Der Bereich, in dem die Hilye eingepflegt wird. Sie ist häufig rund oder in ovaler Form angelegt. Zeitgenössische Kalligraphien ordnen den Göbek allerdings auch rechteckig an.
3. Hilal / Halbmond
Verzierungen, die um den Nabel herum eingesetzt werden können, aber nicht zwingend sind. Die Sonne und Mond ähnlichen Motive deuten auf das erleuchtende Wesen des Propheten hin und werden häufig mit Gold ausgeschmückt. Die Hilal Motive werden mit den „Vierern“ ausgeschmückt.
4. Ciharyarlar / „Vierer“
Der Rumpf der Hilye-i Serif wird an allen vier Ecken mit den Ciharyarlar versehen. Hierbei handelt es sich um die Namen der ersten vier Kalifen des Islams Hz. Ebu Bekir, Hz. Ömer, Hz. Osman und Hz. Ali. Es können aber auch die vier Namen Mohammed’s (Ahmed Mahmud Hamid Mustafa) oder aber dessen zehn Weggefährten, der sog. aşare-i mübeşşere, verwendet werden.
5. Ayet / Vers
Der zentrale Bestandteil der Hilye-i Serif, die bündig mit der Besmele abschließt. Der Ayet beinhaltet die kurze Beschreibung einer Eigenschaft des Propheten, die aus dem heiligen Koran zitiert werden. Eines der häufigsten Verse stammt aus der Sure 48, Vers 28-29: „Wir sandten dich, um dich den Menschen zu erbarmen„.
6. Etek / Rock
Wird genau im Zentrum der Ayet platziert und ist die Fortführung der Aufschrift. Sie enthält außerdem den Namen des Kalligraphen sowie das Erstellungsdatum der Hilye-i Serif.
7. Koltuk / Sitz
Ausdekorierte Abschnitte neben dem Etek mit identisch abgestimmten Abständen. Die Illuminationen werden spiegelverkehrt angeordnet und müssen eine Ergänzung zum Tezhip im Kopfbereich sein. Einige Hilye’s enthalten an dieser Position den Namen des Kalligraphen.
8. Iç pervaz / Innerer Rand
Die innere Umrandung, die den Rahmen der zentralen Dekoration bildet.
9. Dış pervaz / Äußerer Rand
Die äußere Umrandung – wird wahlweise mit Ebru, Zerefsan (Golfstaub), Halkari (flüssiges Gold) oder Tezhip dekoriert.