Ebru Kunst – Das türkische Papier

Ebru Kunst – Das türkische Papier

Ebru Kunst – Das türkische Papier

Als Ebru wird die Kunst des Marmorierens bzw. des Malens auf dem Wasser bezeichnet. Sie gilt als eine der prägenden Künste im goldenen Zeitalter des osmanischen Reichs. Dabei werden in einer dafür vorgesehenen Wanne (“tekne”) verschiedene Farbmischungen auf Leimwasser (“kitre”) aufgetragen und mit Spezialpinseln, die aus Rosenholz und Pferdehaar bestehen, in Ornamente, Kalligraphien, Blüten oder Muster verzogen.

Auf das gemalte Bild wird ein Papierbogen aufgedrückt, bis die Farbe angenommen wird. Das fertige Bild wird abschließend getrocknet und geglättet. Zu welchem Zeitpunkt die Ebru Kunst zustande kam ist heute weitestgehend unbekannt. Das früheste von Historikern als authentisch eingestufte Exemplar wird auf das Jahr 1519 datiert. Es wird allerdings vermutet, dass sich in diesem Stadium die Entwicklung der türkischen Ebru bereits an ihrem Höhepunkt befand, so dass eine Rückdatierung auf das 8. bzw. 9. Jahrhundert angenommen werden kann.

Der Begriff “ebri” bedeutet im persischen sinngemäß “Himmelsfarbe”. Infolgedessen bezeichnete man Ebru Künstler bis zum 20. Jahrhundert als “ebrizen”. Einige Altmeister sind der Auffassung, dass der Ursprung des Begriffs von “abru” abgeleitet wurde, was soviel bedeutet wie “Wasseroberfläche”. Im historischen Traktat “Tertib-i Risale-i Ebri” aus dem Jahr 1608 wird allerdings diese Annahme weitestgehend zerstreut. Im Westen wird Ebru als “Türkisches Papier” bzw. “Türkisches Marmorpapier” betitelt, im arabischen Raum dagegen als “varaku’l-mücezza” (adriges Papier). Einige Historiker sind der Ansicht, dass der Ursprung der Ebru auf das zentralasiatischen Gebiet Turkestan zurückzuführen sind. Türkische Altmeister präzisieren das Gebiet auf das ehemalige Zentrum des Islams Buchara im heutigen Usbekistan.

Negative Folgen für die Popularität der Ebru Kunst hatten die verlorenen Kriege während der Niedergangsphase des Großreichs und die damit verbundenen wirtschaftlichen sowie kulturellen Eingeständnisse an die Siegermächte – während der Regierungszeit Sultans Fatih Mehmet II. Im 15. Jahrhundert waren noch 500 Künstler im Palast tätig; zum Ende des osmanischen Reiches nur noch 40. In dieser Phase hat sich die Ebru Malerei in europäischen Ländern wie Frankreich, Spanien oder Italien verbreitet und die als “Türkisches Papier” bekannte Ebru Kunst wurde in das europäische Kulturgut adaptiert.


Die verschiedenen Formen der Ebru Malerei

So wie jede Kunstform eine eigene Terminologie für sich beansprucht, so haben sich während der Entwicklungszeit der Ebru Kunst verschiedene Stilrichtungen etabliert und weiterentwickelt.

Battal Ebru

Battal Ebru„Battal“ bedeutet übersetzt “heldenhaft” oder “mutig”. Sie gilt als die früheste Form der Ebru und wird heutzutage als Basiswissen vorausgesetzt. Dabei bleibt der Künstler nach dem Auftragen der Farbe passiv und greift nicht mehr ein. Die Menge und die Tropfweise mit dem Pinsel bestimmen den natürlichen Verlauf der Farben. Battal ist die fundamentale Form der Ebru.

Gel-Git Ebru

Gel-Git EbruBringt man den in der Battal Form gegossenen Leim mit einem speziellen Pinsel in Bewegung, entstehen leichte Übergänge in Zick-Zack Form. In diesem Fall spricht man von der Gel-Git Ebru. Es ist dabei zu beachten, dass kontrastreiche Farbebenen verwendet werden und die Tropfen nicht zu groß ausfallen, da ansonsten die Töne nicht zur Geltung kommen.

Şal Ebru

Kumlu-Kilcikli EbruBei der Şal handelt es sich um eine Fortentwicklung der Gel-Git Form. Statt geradlinigen Verzierungen, wird der Pinsel in diesem Fall (gegensätzlich) vertikal, horizontal oder diagonal in Schlangenlinien verzogen. Die Pinselabstände verhalten sich distanzierter als bei der Gel-Git Stilrichtung.

Bülbül yuvası Ebru

Bülbül-Yuvasi EbruBei dieser Form wird der Spezialpinsel, von außen beginnend, in Spiralen gekreist, so dass kreisel-förmige Muster entstehen. Die Bülbül yuvasi Ebru wird gerne mit den bisher genannten Formen kombiniert.

Taraklı yuvası Ebru

Tarakli EbruVerzieht man die in der Gel-Git Form bemalten Linien mit extrem feinen Nadeln in die entgegengesetzte Richtung, so entstehen kleine Abrundungen an der Oberfläche, die dem Bild einen speziellen Effekt verleihen. Diese Form wird als Tarakli Ebru bezeichnet und war besonders im Westen beliebt.

Kumlu-Kılçıkl Ebru

Kumlu-Kilcikli EbruDiese Form wird vermehrt für den Innenrahmen von Kalligraphie Bildern verwendet. Dessen Besonderheit liegt in der Beschaffenheit des Leims. Durch den Einsatz von weniger Wasser wird der Leim dickflüssig, so dass die gespritzten Farbtropfen minimal verlaufen und – bei entsprechender Einwirkzeit – ein gekörnter Effekt entsteht.

Hatib-Ebru

Hatib EbruAls Hatib wird im Islam ein geistlicher Vorredner bezeichnet. Die Hatib Form wurde nach dem 1773 verstorbenen Mehmed Efendi, Hatib der Hagia Sophia Moschee und Entwickler der Stilrichtung, benannt. Durch besondere Bewegungsabläufe und Verzierungen werden bei der Hatib Form verschiedene Motive, wie etwa Blumen (“Necmettin Ebru”), Kalligraphien (“Akkase Ebru”) oder Schattierungen (“Dalgalı Ebru”), gezeichnet. Sie zählt zu den verbreitetsten Arten der Ebru Kunst.

Die Ebru Malerei ist eine schwer zu erlernende, komplexe Kunstform und verlangt Erfahrung und Geduld. Beherrscht man sie, so heisst es, kann sich der Künstler, ähnlich dem Trancetanz der Derwische, in eine Art religiöse Ekstase malen und erreicht somit eine perfekte Symbiose aus Frieden und Seelenheil. Klassische Ebru Künstler treten jedem Bild mit äußerster Ehrfurcht gegenüber und bereiten sich mit islamischen Ritualen und Gebeten vor:

Im Namen Allah’s, dem Allmächtigen und Allwissenden!
In deiner unendlichen Bestimmungskraft, mit deinem in den Mustern der Schöpfung verstecktem Segen, schütze diesen Nicht-wissenden, der nicht einmal in der Lage ist die in dieser Wanne entstehenden Muster zu interpretieren, vor seinem eigenen Egoismus! Beschütze mich vor meinem Begehren, mich dir gleichstellen zu wollen und an deinem ewigen Dasein zu zweifeln, oh Erhabener! Beschenke die Armen mit der Gabe der Verschwiegenheit! Zeichne meine Arbeit vor der Wanne mit dem Dhikr (Gebetsritual) aus und nehme sie als ein Zeichen meiner Dienerschaft an!
Gebe mir die Kraft!

(Bismillâhirrahmanirrahim, İlâhi, Ya Râbbi!
Ezeldeki hükmüne uygun olarak bu teknede zuhur edecek olan nakışların, Hilkat’inin nakışlarında meknuz olan Hikmet’ini, İdrakten âciz olan bu fakirin nefsini teshir edip de enaniyetini azdırmasına izin verme! Nefsimi, Senin gibi bir Hâlık olma vehmindende, bu vehmin tevlid edeceği bir şirk-i hafidende, hubb-i riyâsettende koru, yâ Hafız! Fakiri „Lâ Fâile illâllah“ sırrının edebiyle techiz et! Bu tekne başındaki mesâiyi „Senin“ zikrinle taltif ve Sana olan kulluğumun bir nişânesi olarak kabul et!
Destur Yâ Hak!)

Vielen Dank an Hülya Cam, die freundlicherweise bei der Auswahl der Ebru Bilder geholfen hat.

Literatur

  • Ahmet Coktan – Türk Ebru Sanati, 1992
  • Ömer Faruk Dere – Ebru Sanati – Tarihce, Malzeme, Uygulama

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