Cini – Türkische Kachel- und Keramikkunst
Cini – Türkische Kachel- und Keramikkunst
Als eine der wichtigsten Kunstgüter aus Anatolien gelten die Cini Kacheln und Keramiken. Der Begriff „Cini“ meint sowohl die gebrannten Tonwaren für die Baukunst, als auch Hausgegenstände des Alltags. Über Jahrhunderte haben Türken die Elemente des Lebens – Feuer, Wasser und Erde – genutzt, um die einzigartige Schönheit des Seins einzufangen.
Die Cini Kunst wurde insbesondere für farblich-dekorative Verzierungen von architektonischen Gebäuden verwendet. Früheste Beispiele in türkischer Historie können zeitlich auf das 8. bzw. 9. Jahrhundert und territorial auf den mittelasiatischen Raum um Xinjiang (heutiges Gebiet der Uiguren) zurückgeführt werden. Während der seldschukischen Epoche wurde die Keramikkunst nach Anatolien importiert und ausgebaut. Wahre Entfaltung fanden die Cini-Dekorationen im osmanischen Reich, die die Kunst in das architektonisch-künstlerische Mosaik nicht nur integriert, sondern praktisch neu erfand und unentbehrlich machte.
Historische Entwicklung der Cini Kunst
Erstmalige Entfaltung fand das Keramik- und Porzellanhandwerk in der außergewöhnlichen Baukunst der Seldschuken im 13. Jahrhundert. Die überwiegend in türkis, kobalt und violett gehaltenen Farbtöne erhellten die Kacheln und Mosaiken der Innenarchitektur durch geometrische Verzierungen, während im Außenkomplex lasierte oder unlasierte Backsteine vorgezogen wurden. Die Alaaddin Moschee oder die Karatay Medrese in Konya sind hervorragende Beispiele für die Cini Kunst der Seldschuken.
Im 14. Jahrhundert sollte, während der osmanischen Periode, die anatolische Cini Kunst viele Neuerungen erhalten. Die Kombination aus seldschukischer Mosaik Technik mit gefärbter Lasur und der Wechsel des Standorts nach Bursa markierten den Beginn der für die heute so charakteristischen Iznik Kachel- und Keramikware. Die mehrfarbige Lasurtechnik, gepaart mit blau-weißer Tönung unterhalb der Politur, galt als wichtige Innovation, die in den Minaretten der 1391 fertig gestellten „Grünen“ Moschee als frühestes Beispiel bewundert werden kann.
Die Stadt Iznik sollte zwischen dem 15. und dem 17. Jahrhundert zum Zentrum der Cini bzw. Keramik Kunst avancieren. Produktion, Herstellung und Qualität wurden so angetrieben, dass nahezu alle wichtigen Istanbuler Palastwände mit Iznik Fayencen geschmückt werden konnten, so z.B. das Mausoleum des Kanuni Sultan Süleyman 1566, die Sokullu Mehmed Pasa Moschee 1572, die Piyale Pasa Moschee 1574 oder das Komplex des Sultans Murad III. im Topkapi Palast.
Ab dem 17. Jahrhundert verlor die Cini Kunst Ihren Glanz, nachdem der regierende Sultan Ahmed I. während der Bauzeit der Blauen Moschee sämtlichen Kunsthandwerkern die Aufnahme anderer Arbeiten verweigerte. Der niedrige Lohn rechtfertigte nicht den Aufwand, so dass viele Arbeiter den Standort Iznik in Richtung der Stadt Kütahya verließen. In der Folge sollte die kleine Keramikstadt zum Zentrum für Tonwaren, Fliesen und Glasur werden.
Die alte Pracht klassischer Iznik Keramik konnte jedoch nicht wiederhergestellt werden, da das Wissen um Techniken und Praktiken nur unzureichend dokumentiert wurden. Verschiedene Institutionen versuchen heute die Cini Kunst wieder zu beleben.
Design und Muster von Cini Kacheln und Keramiken
Neben symbolischen und allegorischen Werten der türkischen Welt, reflektieren die Motive auf Cini Kacheln überwiegend die Flora und Fauna Anatoliens. Eines der beliebtesten Motive ist die Tulpe (auf türkisch Lale). Lale ist in arabischer Schrift ein Anagramm von Allah und hatte praktisch einen Heiligenstatus im osmanischen Reich.
Die häufig geometrisch angeordneten Geflechte dagegen spiegeln die Wechselwirkung zwischen Himmel und Individuum wider und deuten gewissermaßen auf eine kosmologische Idee hin. Die Keramik Verzierungen auf architektonischen Werken bilden ein perfektes Zusammenspiel mit den anderen Bauelementen wie aus einem Guss, ohne übertrieben zu wirken.
Neben der dekorativen Eigenschaft der Cini Kachel, ist es vor allem die funktionale Beschaffenheit der Keramik, die sie weltweit zu einem besonderen Produkt macht – die absorbierende Eigenschaft von elektromagnetischen Wellen der Quarzkristalle, eine der Hauptsubstanzen bei der Herstellung der Fayencen, üben nicht nur einen positiven Einfluss auf das menschliche Empfinden aus, sondern optimieren außerdem die Akustik in geschlossenen Räumen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Keramiken häufig in den Innenwänden von Moscheen Anwendung finden.
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